JOE MEEK


 

Geoff Goddard: Kurzportrait und Kompositionen (1/2)

( here!)

 

Geoff Goddard, 1963
(Photo: aus "Hobbies Weekly, Mai 1963)

Joe Meek hat im Laufe seiner Karriere als unabhängiger Produzent 25 Platten in den britischen Top 40 unterbringen können. Allein neun davon stammen aus der Feder seines - neben Dave Adams wohl engsten - Mitstreiters Geoff Goddard; weitere fünf sind Gemeinschaftsarbeiten von Meek und Goddard. Meeks erste Nummer 1, Johnny Remember Me, stammte ebenso von Goddard wie Just Like Eddie und Tribute To Buddy Holly.

Geoffrey Goddard, * 19. November 1937 in Reading, Berkshire, sang als Kind im Kirchenchor und studierte später Klavier und Bratsche an der Royal Academy of Music. Den Weg in die Klassik ist er nicht weitergegangen; offenkundig hat er selbst erkannt, dass Kollegen wie Gould oder Rubinstein, an denen er sich dann hätte messen lassen müssen, in einer anderen Liga spielten.

Ende der 1950er Jahre, nach seiner Militärzeit, muggte Goddard für 6 Pfund pro Wochenende als Bar- und Hotelpianist. Seine Versuche, in London einige seiner Kompositionen an Musikverlage zu verkaufen, brachten ihn nach vielen Fehlschlägen mit dem Southern-Music-Verleger Bob Kingston in Kontakt, der ihn wiederum als Pianisten an Joe Meek weiterempfahl. Meek, der ihn zunächst unter dem Namen "Anton Hollywood" und mit einem Kandelaber auf dem Klavier als eine Art "Liberace von Reading" aufbauen wollte, erkannte schon nach kurzer Zeit, dass die Bühne nicht Goddards Welt war. Ein damaliger Rezensent fühlte sich eher an Harpo Marx erinnert; Goddards Spielweise erinnerte auf charmante Weise an die eines Stummfilmpianisten, zudem hatte er die Gewohnheit, beim Spielen seltsame Schnalzlaute von sich zu geben und mit den Füßen zu trampeln.

Dafür überzeugte Goddards Pop-Instrumentalkomposition Lone Rider Meek aber von dessen Talent als Songwriter. Im Sommer 1961 nahm er das Stück mit den Flee-Rekkers auf. Später ergänzte Goddard das Stück um einen Text; es erschien von John Leyton gesungen im Frühjahr 1962. Als Autor von einfachen, eingängigen Popsongs ist Goddard hochtalentiert gewesen, da sind sich alle einig, die Songs aus seiner Feder kennen. Und sie beendeten seine ständige Ebbe im Portemonnaie: Schon die beiden Hits, die er für Leyton schrieb, brachten ihm rund 8000 Pfund ein (die Summe würde heute etwa 300.000 Pfund, 350.000 Euro oder 460.000 US-Dollar entsprechen), und dabei blieb es nicht.

Aber Goddard war aufgrund seines Studiums auch ein für Popverhältnisse sehr guter Instrumentalist, und so wurde er in Meeks Studio zum ständigen In-House-Musiker. Wenn auf einer Meek-Produktion aus der Zeit bis Mitte 1964 ein Klavier zu hören ist, dann hat mit großer Wahrscheinlichkeit Goddard die Tasten gedrückt. Am prominentesten wirkte er sicherlich in Telstar mit, wo er nicht nur die Klavierarpeggios, sondern in einem dreifachen Overdubbing auch die Melodiestimme auf dem Clavioline spielte. Auch die gegen Ende des Stücks aus dem Hintergrund aufsteigende Gesangsstimme gehört Goddard. (Mehr Info zur Produktion von Telstar siehe hier.)

Aber auch auf einem anderem Gebiet hatten sich mit Meek und Goddard zwei gleichgesinnte Seelen gefunden: im Glauben an Spiritismus und alles Okkulte. In dieser Hinsicht dürfte Goddards Meise die von Meek eher noch übertroffen haben. Gleich seine erste Begegnung mit einer Wahrsagerin wurde für den 23-Jährigen zu einem prägenden Erlebnis, denn sie stellte die Verbindung zu dem verstorbenen Buddy Holly her. Das ließ Goddard nie mehr los. Séancen nahm er von da an todernst, er strebte eine Ausbildung zum Medium bei der Gesellschaft für Parapsychologie an, seine Faszination für Todessongs und jenseitige, geisterhafte Themen stand der von Meek in nichts nach. Schon sein erster Song, der obengenannte Lone Rider, erzählte von einer Art Fliegendem Holländer auf dem Motorrad, und in Zeitungsinterviews äußerte Goddard, er habe die Anregung zu Johnny Remember Me aus dem Jenseits erhalten. John Leyton, der mit dem Song einen Nummer-1-Hit landete, war wenig begeistert davon, mit Spökenkiekerei dieser Art in Verbindung gebracht zu werden.

Die Beziehung zwischen Meek und Goddard endete auf eine Weise, wie sie unglücklicher, aber auch typischer für Meek nicht hätte sein können: Goddard verklagte die Produzenten und Songschreiber der Honeycombs, Ken Howard und Alan Blaikley, denn er vermeinte in deren Hit Have I The Right das Stück Give Me The Chance wiederzuerkennen, das er gemeinsam mit Meek geschrieben hatte. Meek jedoch, der Howard und Blaikley in jedem Fall halten wollte, ließ ihn postwendend wissen, er werde sich vor Gericht auf deren Seite stellen. Goddard sah daraufhin keine Chance mehr, seine Position gerichtsfest zu belegen. So zog er die Klage zurück, sprach aber von diesem Moment an kaum noch ein Wort mit Meek. (Eine Demoaufnahme liegt leider nicht vor, deshalb lässt sich nicht definitiv klären, ob Goddards Vermutung berechtigt war. Soviel aber kann man wohl sagen: Er muss sich schon sehr sicher gewesen sein.)

Als dann Meek - unfähig, eigenes Fehlverhalten einzugestehen oder überhaupt einzusehen - 1965 auch noch an Goddards Songs herumzumäkeln begann, sie als vorgestrig bezeichnete und ihm nahelegte, sich beizeiten begraben zu lassen, zog Goddard tief enttäuscht den Schlussstrich und wurde in Meeks Studio nicht mehr gesehen.

Nach Meeks Tod arbeitete Goddard kurzfristig mit Cliff Richard zusammen. Sein Song My Head Goes Around erschien 1969 auf dessen Album "Tracks 'n' Grooves", doch es sollte sein letzter veröffentlichter Song bleiben. Goddard kam mit Richard (bzw. dessen Produzenten) nicht klar und hängte 1972 schließlich die Musikerexistenz an den Nagel.

Er ging zurück in seinen Geburtsort Reading und fand einen Job an der dortigen Universität: als Putzhilfe in der Mensa. Man mag das schwer fassbar finden, aber er ist diesen Schritt bewusst und freiwillig gegangen und hat sich nie über seine Situation beklagt. Er zog sich nicht eigentlich zurück, er machte auch kein Geheimnis aus seiner Vergangenheit und freute sich, wenn jemand ihn oder seine Songs kannte, aber aktiv wollte er mit der Musikszene nichts mehr zu tun haben.

Goddard war ein schüchterner und eher verschlossener Mensch. Weshalb er in Nick Morans "Telstar"-Film (2008) allerdings als absoluter Volltrottel dargestellt wird, bleibt das Geheimnis des Regisseurs, im wirklichen Leben war er das sicher nicht. Darüber hinaus ist über den privaten Goddard leider so gut wie gar nichts bekannt; auch seine Angehörigen sind nicht willens, irgendwelche Informationen über ihn herauszugeben.

Anders als einige andere Meek-Acts fiel Goddard nach dessen Tod nicht in die Verarmung, denn er war der Komponist des Instrumentals Jungle Fever, das sich als B-Seite der Telstar-Single weltweit millionenfach verkaufte. Auch später sind ihm immer wieder einmal Tantiemen zugeflossen, nicht zuletzt durch seine Komposition auf dem Cliff-Richard-Album. Auch Just Like Eddie brachte ihm noch einmal Geld, als das Stück für eine Fernsehwerbung parodiert wurde: Just Like Shreddies. Zudem verkaufte 1985 seine Komposition Johnny Remember Me in einer Coverversion mit Marc Almond & Bronski Beat nochmals 300.000 Platten und erreichte die britische Top 10 - und brachte Goddard, der die aktuellen Hitlisten schon lange nicht mehr verfolgte, zu seiner riesigen Überraschung eine Platin-Platte ein.

Geoff Goddard starb am 15. Mai 2000 in Reading mit 62 Jahren an Herzversagen.

Geoff Goddard, ca. 1990

 

mit John Leyton, ca. 1995
(Photos courtesy johnleytonofficial.com)

 

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last update: Dec 23, 2010